Vortrag
Prof. Dr. Angelika Poferl
Mit seinen Schriften zur „Risikogesellschaft“ (1986), zur „Weltrisikogesellschaft“ (2007) sowie in seinem letzten, unvollendet gebliebenen Werk zur „Metamorphose der Welt“ (2017) hat Ulrich Beck die Grundlagen der Theorie reflexiver Modernisierung gelegt und im Laufe seiner Arbeiten zugespitzt. Die Theorie stützt sich zum einen auf das Konzept der Nebenfolgen gesellschaftlicher Entwicklungen. Hierbei handelt es sich um Problemlagen und zivilisatorische Gefährdungen (z.B. Klimawandel, Technologieentwicklung, soziale Ungleichheiten), die nicht mehr im Rahmen bestehender Institutionen und durch eine Fortschreibung des status quo bewältigt werden können. Neuartige Unsicherheiten, Ungewissheiten und Uneindeutigkeiten stellen vielmehr herkömmliche Ordnungsmuster und Alltagswelten in Frage und erzwingen umfassende gesellschaftliche und politische Veränderungen. Zum anderen geht es darum, die globale Dimension des Wandels und aktuelle Herausforderungen in den Blick zu nehmen und in ihren Konsequenzen für Gesellschaftsentwicklung und Gesellschaftsgestaltung zu verstehen. Die Theorie reflexiver Modernisierung beansprucht, eine sowohl wissenschafts- als auch gesellschaftskritische Theorie der Transformation von Moderne zu sein. Sie geht darin weit über bisherige Gegenwartsdiagnosen hinaus. Der Begriff der Metamorphose radikalisiert die Perspektive. Gewohnte Orientierungs- und Fixpunkte des Denkens und Handelns erweisen sich demnach als zunehmend ungeeignet, die Verwandlung der der Welt, in der wir leben, zu erfassen. Erforderlich wird – so die Schlussfolgerung – die Entwicklung neuartiger Normenhorizonte und Bezugsrahmen, die geeignet sind, ein Gemeinwohl der Menschheit gegen die Exklusion von Gruppen, Regionen oder Individuen zu sichern und gegenwärtige wie zukünftige Weltverhältnisse auf neue Grundlagen zu stellen. Die von Angelika Poferl vorgenommene Weiterführung des Ansatzes knüpft daran an und behauptet die teils allmähliche, teils unerwartet rasch sich herausbildende Figur einer Kosmopolitik des Sozialen. Sie umfasst Wissensbestände, kulturelle Praktiken, aber auch Formen der (weltweiten) Solidarität, die an der Sichtbarmachung und Einbeziehung bislang ausgeschlossener, verdeckter oder verdrängter Problemlagen, Risiken, Verwundbarkeiten und Erfahrungen orientiert sind und zur Durchsetzung neuartiger Denk-, Handlungs- und Lebensweisen in der Gesellschaft beitragen. Exemplarisch wird dies anhand ökologischer Gefährdungen, globaler Geschlechterungleichheiten und der Entwicklung einer Kultur der Menschenrechte aufgezeigt.
Wann: 26. Mai 2020
Beginn: 20:00 Uhr
Wo: Universität Tübingen, Kupferbau Bitte beachten: der Ort kann sich noch ändern!