Tausche Demokratie gegen (vermeintliche) Effizienz. Unter diesem Motto werden seit Jahren demokratische Kontrollmöglichkeiten der Politik immer weiter eingeschränkt. Dies betrifft besonders die Rüstungs- und Kriegspolitik, über welche die jeweiligen Staats- und Regierungschefs in internationalen Netzwerken und Gremien mehr und mehr im Alleingang entscheiden, während Parlamente und Gerichte (ganz zu schweigen von anderen gesellschaftlichen Organisationen) zunehmend marginalisiert werden. Gerade in Deutschland dient die zunehmende Aushöhlung des Parlamentsvorbehalts dazu, dass eine öffentliche Debatte über Sinn bzw. Unsinn der hiesigen Rüstungs- und Kriegspolitik erst gar nicht entstehen soll.
Diese Entwicklung findet in einer neuen Form „klandestiner Kriegsführung“ ihre Entsprechung: In einer zunehmenden Zahl unerklärter Kriege gegen diffuse angebliche Bedrohungen, Netzwerke und Gegner greifen die westlichen Staaten verstärkt auf Mittel wie Spezialeinheiten oder Drohnenangriffe zurück. In solchen Kriegen verlagert sich die Einsatzrealität immer weiter ins Geheime und wird dadurch jeglicher Form öffentlicher Kontrolle und Aufmerksamkeit entzogen.
Diese Situation stellt auch den Widerstand gegen eine Militarisierung der Außenpolitik, der internationalen und zwischengesellschaftlichen Beziehungen vor neue Probleme und Herausforderungen: Wo verifizierbare Informationen fehlen, eröffnet sich Raum für Verschwörungstheorien. Rassistische, nationalistische und religiöse Feindbilder gewinnen an Relevanz bei der Auswahl und Bewertung eines nahezu unbegrenzten Informationsangebotes. So spielt das Internet einerseits eine wesentliche Rolle bei der Gewinnung und Verbreitung kritischer Informationen, ist aber zugleich geeignet, wahre Ziele und Interessen zu verschleiern, Lügen und Propaganda verschiedenster Akteure zu streuen und so zur generellen Unsicherheit bei der Bewertung von Ereignissen beizutragen. Demgegenüber genießen zivilgesellschaftliche Organisationen ein hohes Maß an Vertrauen, gerade auch, was ihre professionalisierte Kampagnenarbeit anbelangt. Diese suggeriert häufig eine große Staatsferne und ist an Protestformen der Außerparlamentarischen Opposition angelehnt. Sie birgt damit das Versprechen, neue Mehrheiten zu repräsentieren und ein Gegengewicht zur Entparlamentarisierung gerade der Außenpolitik zu bilden. Allein: Viele dieser Kampagnen fügen sich problemlos in die Strategie der herrschenden Politik ein und nehmen sogar häufig eine deutlich bellizistischere Haltung (bsp.: Flugverbotszone) als selbst die Regierungen ein.
Vor diesem Hintergrund möchten wir zunächst den Demokratieabbau und die Entparlamentarisierung in der Außenpolitik beschreiben und analysieren, welche Formen der Kriegführung damit einhergehen. Davon ausgehend wollen wir uns mit den neuen Formen der Öffentlichkeit und der Willensbildung auseinandersetzen und die Frage erörtern, in welchem Verhältnis Krieg und Demokratie grundsätzlich und in ihren verschiedenen Ausprägungen stehen. Denn auch wenn sich Kriege nicht demokratisieren lassen und sich Militär und Demokratie grundsätzlich ausschließen, muss angesichts der mannigfaltig beobachtbaren Verdunklungstendenzen darüber nachgedacht werden, wie die Realität von Krieg und Militarismus ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden kann und welche Mittel – vom Parlament bis zum Blog – hierfür in welchem Maß geeignet sind.
IMI-Kongress 2012 (17.-18. November):
Entdemokratisierung und Krieg – Kriegerische Demokratie